In einem Dorf bei Pforzheim sitzt ein Zauberer, der Restauration und Wartung von Motorrädern in erstaunlicher Qualität realisiert. Timo Franta „macht“ achtzig Prozent Ducati, doch er erliegt auch dem Charme anderer Marken. Besuch beim Italiener-Versteher mit Herz. Timo Franta liebt Italienerinnen auf zwei Rädern. Etliche innige Begegnungen haben im Laufe der Jahre dazu geführt, dass er ein besonderes Händchen für ihre Technik entwickeln konnte. Und ein wachsendes Verständnis für die Gedankenwelt ihrer Konstrukteure. Mitunter ertappt er sich sogar beim Bewundern solcher Persönlichkeiten wie Fabio Taglioni oder Massimo Tamburini. Dabei ist Timo alles andere als ein schwärmerischer Typ. Als KFZ-Mechaniker, der sich später zum Meister fortbildet, ist er früh auf harte Fakten angewiesen. Zehn Jahre arbeitet er erfolgreich in Werkstattbetrieben mit Ducati und Bimota, dann versucht er sich in einem Fiat/Alfa-Autohaus als Annahme- Meister in Schlips und Kragen. Nicht Timos Ding. Eine weitaus bessere Existenzform scheint zu sein, sich mit Motorrädern selbststandig zu machen. Also eröffnet Timo eine Werkstatt in seinem Heimatort Bauschlott bei Pforzheim. Seit im August 1888 Frau Bertha Benz auf ihrer legendären Fahrt von Mannheim nach Pforzheim mit dem von Ehemann Carl Benz konstruierten ersten „Automobil“ in Bauschlott liegenblieb und wieder flott gemacht wurde, hat das KFZHandwerk hier Tradition. Eine Tradition, die Timos Werkstatt MotoTimo“ Am Anger 64 für Reparatur und Restauration fortführt. Spätestens als Timo den von anderen Restaurateuren aufgegebenen Mercedes Pagode eines prominenten Besitzers von Grund auf neu erstehen lässt, ist ihm der Respekt der Szene sicher. Eine seltene Porsche 911-Version und ein Alfa GTV 6 warten noch auf Timos kundige Hände. Doch die kümmern sich erst mal um Motorräder. Ducatisti aus einem weiten Umkreis bringen ihre Schätze nach Bauschlott. Vor allem während der Motorradsaison lebt der Meister seine Instandsetzungs- und Wartungskunst voll aus. Seine humorvolle und lockere Art kommt bei den Kunden gut an, die Ergebnisse seiner Arbeit sprechen sich in der Italiener- Szene herum und sorgen für einen wachsenden Kundenstamm. In Timos Werkstatthalle erfreut sich grade eine Panigale ihrer Erstinspektion. Auf der zweiten Bühne wartet eine Monster. Während er im Sommer seinen Arbeitsschwerpunkt auf Kundendienst legt, hat sich Timo im Winter auf das Restaurieren verlegt. Momentan harren eine 900 SS mit Königswelle und eine Bimota KB 2 auf die Fortsetzung ihrer Metamorphose zum Zustand „besser als neu“. Bereits im gegenwärtigen Stadium kann man sehen, mit welcher Hingabe und Akribie Timo zu Werke geht. Er weist auf die kunstvolle Rahmenkonstruktion beider Schätze hin. In seiner Stimme schwingt Bewunderung, die ansteckend ist.
„Für eine gute Restauration braucht man ein Netzwerk“, erklärt er. Also Menschen, die sich auf bestimmte Teile spezialisiert haben, von denen man wissen muss „wer was wann wie gut macht“. Timo versucht, möglichst viel historisches Material zu erhalten, also alte Teile professionell aufzuarbeiten. Hier verfügt er über eigene Tricks und Kontakte, die für eine eindrucksvolle Wiederauferstehung ganzer Baugruppen sorgen.
Und weil sich Timo seit Jahrzehnten in der Szene rumtreibt, bleibt auch mal die eine oder andere Preziose bei ihm hängen: Zum Beispiel eine Benelli 750 Sei, deren Besitzer sich 1978 gleich bei der ersten Inspektion auf die Klappe gelegt hatte. Anschließend fuhr er noch in den Urlaub, danach verlor er die Freude am Sechszylinder. Deswegen steht die italienische Rarität heute mit 3600 Kilometern auf der Uhr im Originalzustand auf Timos Hof. Sie ist nicht alleine, denn zu Timos Motorrad-Sammlung gehören noch diverse Bimotas: Eine KB 1, YB 8 oder ein SB 8 K-Prototyp. Außerdem sollte man auf die Ecken achten: Hier steht noch eine Guzzi Le Mans 1, dort eine Gilera-Rennmaschine aus den 50ern, gelebte italienische Motorradleidenschaft.
Ein wenig “Dolce Vita“ lässt sich auch in Timos Wesen erahnen, was bedeutet, dass er locker drauf und tolerant genug ist, sich auch für andere Motorradmarken zu interessieren. Deswegen schmücken weitere toprestaurierte Exponate Timos Werkstatt: Eine Kawasaki Z 900, eine Harley aus den Fünfzigern, eine 50 Jahre alte BMW R 60/2 mit Steib-Beiwagen im Neuzustand. Daneben steht eine Suzuki GT 750. Der „Wasserbüffel“ stammt aus der ersten Serie, das Vorderrad mit der Doppel-Duplex-Trommelbremse hat Timo zur Zeit gegen eines mit doppelter Scheibenbremse getauscht. „Wenn man die Doppelduplex entsprechend bearbeitet, bremst sie fast besser als die Doppelscheibenversion“. Restauriert hat Timo den Büffel zusammen mit Joe Böhme, dem vor Jahren legendären Suzuki-Händler aus Pforzheim, dessen Bikes in vielen Rennen erfolgreich waren. Heute sitzt der betagte Herr nach einem turbulenten Leben am offenen Fenster, wenn Timo extra für ihn mit der 750er vorbeifährt. Aus Freundschaft hat Timo eine Drei-in Eins Rennanlage verbaut, die für einen Sound sorgt, der nicht nur beim Senior Gänsehaut erzeugt.
Timo kennt übrigens viele Legenden vergangener Zeiten persönlich: Als Italo-Fan natürlich den Vater von Valentino Rossi, aber auch Toni Mang oder Sepp Schlögl. Und natürlich die Importeure von Bimota. Denen man erklären musste, dass man eine Bimota nicht einfach aus der Kiste heraus verkaufen konnte. Dass man sich ihrer nach dem Auspacken erst mal zwei Tage annehmen sollte. Womit sie wieder ins Spiel kommen, die Hände von Timo. Natürlich führt er seine Italienerinnen auch gerne aus. Dank wenig Gepäckmitnahme wird z.B. aus Timos Hypermotard eine passable Reisemaschine. Er nimmt immer nur alte Unterwäsche mit, die „ich nach Gebrauch dann entsorgen kann“, wodurch sich sein Minimal-Ballast im Laufe der Tour weiter verringert und er seine ganze Konzentration auf das Wesentliche richten kann: Das Fahren und Beschrauben italienischer Motorräder.
Text und Fotos von Markus Biebricher
MOTORRAD Nr.14/2017